Roland Ernst Literatur

By: Roland Ernst
  • Summary

  • Mit den Biografien des Schauspielers Karl Obermayr und des Henkers Johann Reichhart habe ich mich zwei sehr realen, außergewöhnlichen Charakteren gewidmet. Meine größte Leidenschaft gilt aber der Belletristik, der ich mich in Kurzgeschichten, Novellen und Romanen widme. Schreiben ist für mich immer auch Konzentration auf die eigene Seele und damit das atmosphärische Erkennen der Vergangenheit in der Gegenwart. Die Wiedergabe dieser Atmosphäre beginnt mit empfindsamer Genauigkeit, die ich in verschwenderischer Schönheit direkt nacherlebbar machen möchte. Die Figuren in meinen Geschichten sind meistens sehr normale Menschen, die in Situationen geraten, in denen sie den Todesstreifen ihrer eigenen Gewissheiten betreten und ihr Leben dadurch eine Wendung nimmt, als beginne damit eine neue Existenz. In der digitalen Epoche verschmelzen Lesen, Hören und mediales Erfahren von Literatur immer mehr zu einer gleichschwingenden Einheit. Mit meinem Schaffen will ich auch Neuland betreten – Neuland für die verschiedensten, zukünftigen Publikationsformen und damit die Erweiterung sprichwörtlicher Erfahrung von Literatur.
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Episodes
  • Unbefleckte Empfängnis
    May 21 2023
    Den Blick des Gerichtsmediziners, mit dem dieser von lechzender Neugierde erregte Mensch in meinen geöffneten Brustkorb schauen wird, werde ich nicht mehr erleben, mich nicht einmal dafür schämen können, ein bisschen zu viel auf die Waage zu bringen. Sachlich gesehen: durchaus stattliches Körperfett, Leberverfettung, mein schlaffer, enttäuschender Herzmuskel ist auch so ein wunder Punkt wie meine vergrößerte Schilddrüse, plumpes Muskelgewebe und zu schwaches Lungenvolumen werden keine Rolle mehr spielen. Keine Vorwürfe mehr, die Dinge der Welt werden ohne mich weitergehen. Lehrbuchhaft wird mein Ableben sein, eine grandiose, aber abgeschmackte Fiktion, fürchte ich, nur mir wird sie bitterer Ernst sein. Jetzt spüre ich wieder den Schmerz, der mich lähmt, und eine erste Umnachtung, immer wieder fallen mir die Augen zu, bloß wach bleiben, sage ich mir, das kann doch nicht so schwer sein, nimmt mein Blick verschwommen das wahr, was alle anderen in ihrer Blasiertheit lediglich Wirklichkeit zu nennen pflegen, höre ich bereits vermehrt aufgeregte, panische Stimmen wie aus einer unbestimmten, dahingewaberten Entfernung, öffne meine Augen wieder und wie durch einen abdämpfenden Schleier sehe ich in erschütterte, bleiche Gesichter, die sich über mich beugen oder entsetzt wegsehen, Finger, die auf mich zeigen, angewidert und ohne jedes Erbarmen. Die ausgiebige Barmherzigkeit hat ihre engen Grenzen. Ein Martinshorn kreischt. „Der lebt.“ Der Mann klingt ungläubig, beinahe beleidigt, dass er keinen Toten gefunden hat, nur einen, der gerade im Begriff ist zu sterben, ein nicht ganz gewöhnlicher Sterbender, diese Geschichte würde ihm im Freundeskreis immerhin ein staunendes Entsetzen bescheren, vielleicht Bewunderung. Er hat jemanden gefunden, auf den geschossen worden war. Hat er aber auch den Schuss gehört? Ich kann es nicht ändern, auch wenn mir eine gewisse Unauffälligkeit nachgesagt wird: Dieses Mal stehe ich allerdings in einem überdeutlichen, drastischen Übertriebenheitsmechanismus im Mittelpunkt. Dabei war es meine Mittagspause, die ich in Ruhe genießen wollte, und nun liege ich im Sterben, auf dem Asphalt, höre mich schwerfällig und röchelnd atmen, ein metallischer Geschmack ist in meinem Mund, ich blute wohl im Rachenraum, im oder am Kopf. Ich bin schon am Ende, ehe ich noch einmal die Erinnerungen wahrnehme, die als hell flimmernde Bilder plötzlich vor mir auftauchen. Ein Mann liegt im Sterben. Eine Frau hat auf ihn unvermittelt geschossen - warum nur?
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    24 mins
  • Gualdo Tadino
    May 10 2022
    Dieser Herbst hatte tatsächlich ein paar warme, beinahe noch hochsommerliche Tage. Über Gualdo Tadino fristete die umbrische Oktobersonne über Gebühr ihre heißeren Stunden dieses bereits sehr brüchigen, eigentlich schon längst vergangenen Sommers. Selbst am Abend konnte man noch einen Espresso oder den üblichen Aperitivo auf der Terrasse eines der Cafés nehmen und noch einmal unter den dunklen Trauerzypressen schlendern, die die unebenen Wege säumten. Krista war am Nachmittag mit ihrem Mann angekommen. Mit seinem weißen Haar und seiner beeindruckenden Adlernase war er eine schon heilige Erscheinung mit dem auch noch exaltiert klingenden Vornamen Bartholomäus. In der Tat war auch er gewissermaßen ein Apostel wie sein Namensgeber, auch er fühlte sich manchmal, als müsse er in den hintersten Winkeln der bekannten Welt irgendein Evangelium verkünden, müsse dafür seine Haut zu Markte tragen, die man ihm am Ende vielleicht genüsslich abziehen würde.
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    35 mins
  • Im Schatten kreisender Vögel
    May 9 2022
    Danny musste endlich den Psychiater anrufen. Es blieb ihm keine andere Wahl, wenn er jetzt noch einmal die Kurve kriegen wollte. Er war bis zu diesem Zeitpunkt seit vier Monaten trocken gewesen, aber nun? Dieser verfluchte Augenblick, als ihn seine Frau Dorit hinausgeworfen hatte, und er sich ein Zimmer in der Nähe ihrer einst gemeinsamen Wohnung nehmen musste, der Kinder wegen, hatte ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Eines ihrer beiden Kleinen war ziemlich auffällig, zappelte viel herum, lernte nur schwer sprechen, während das andere mit zwei Jahren still, fast stumm, war, und nur etwas sagte, wenn es gefragt wurde. Er und seine Frau hatten sich wiedergefunden. Sie mussten für die Kinder da sein. Sie hatten vorgehabt, wieder zusammen zu ziehen, am besten gleich in eine größere Wohnung. Seine Frau war seit langem depressiv, eigentlich hatte er sie bereits in diesem düsteren Zustand ständiger Selbstaufgabe kennengelernt, als er vor acht Jahren noch bei einem Abbruchunternehmen arbeitete und an einem jener trostlosen Novemberabende beschloss, als er sie in einer Bar traf, sie sofort retten zu wollen. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen – dabei war es geblieben. Tagsüber riss er mit wohldosierten Sprengladungen und einem Bagger heruntergekommene Altbauten ab, abends und morgens blickte er in die traurigen, leeren Augen seiner Frau. Er wollte es gut machen, bemühte sich. Sie hielten durch, gingen aufeinander zu. Es musste klappen, sie, die Frau und inzwischen zweifache Mutter, die von ihrer Erkrankung gepeinigt wurde, und er der Familienvater, der in den vergangenen Jahren immer wieder abgestürzt war, sich aber genauso oft geschworen hatte, keinen Tropfen mehr zu trinken...
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    1 hr and 1 min

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