Die Reihe "Frauenrechte im Fokus" ist eine Kooperation von Frauen für Freiheit e.V., der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Thomas-Dehler-Stiftung. Schwerpunkt Türkei 2013 verkündete der damalige Ministerpräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, die Aufhebung des Kopftuchverbots im öffentlichen Dienst. Der jetzt wiedergewählte Präsident machte das Kopftuch immer wieder zum Politikum, einst mit dem Ziel, das durch die Trennung von Staat und Kirche bedingte Kopftuchverbot abzuschaffen, und schließlich 2022 mit der Ankündigung, ein Recht auf Hijabtragen in der Verfassung verankern zu wollen. Erdoğan untergräbt mit seiner Politik nicht nur symbolisch das Fundament der modernen Türkei, sondern baut systematisch die Rechte von Frauen ab: 2021 erklärte die türkische Regierung den Austritt aus der Istanbul-Konvention, die die Grundlage für den Schutz von Frauen vor Gewalt bildet, ein Schritt, der durchaus auch als Ablehnung „westlicher“ Werte gesehen werden kann. Denn die Rechte von Frauen werden in der Türkei immer mehr zu einem Teil von Identitätspolitik, die sich an religiösen und ethnischen Kriterien orientiert, statt an universalen Menschenrechten. Gegen diese Politik steht eine starke Frauenbewegung in langer Tradition. Bereits vor Atatürks Regierungszeit erreichten türkische Suffragetten die Einschränkung der Polygamie. Über die Jahrzehnte erkämpften die nachfolgenden Frauenbewegungen Reformen des Zivil- und Strafrechts, unter anderem, um Frauen bei Scheidungen gleiche Rechte zu verschaffen, gegen Belästigung zu schützen usw. Dazu veranstalteten die Frauen teilweise spektakuläre Aktionen wie die „Lila Nadel“, bei der Frauen 1989 auf der Straße eine große Stopfnadel in die Hand gedrückt bekamen, um sich gegen sexuelle Übergriffe wehren zu können. Über die heterogene feministische Szene in der Türkei, die aktuelle Situation und den Ausblick nach der Wiederwahl Erdoğans und der Neubesetzung des Parlaments diskutieren Dr. Lale Akgün und Fatma Keser mit Rebecca Schönenbach. Gast Dr. Lale Akgün wurde 1953 in Istanbul geboren und lebt seit 1962 in Deutschland. Sie ist Psychotherapeutin und Autorin mehrerer Bücher zum Thema Islam und Integration. Ihr Bestseller „Tante Semra im Leberkäseland“ wurde für die ARD verfilmt. Zuletzt erschien von ihr das Buch „Hüzün…das heißt Sehnsucht – wie wir Deutsche wurden und Türken blieben“. Akgün war 15 Jahre lang in der Familienberatungsstelle der Stadt Köln als Psychologin tätig, zuletzt als stellvertretende Leiterin und baute das Landeszentrum für Zuwanderung NRW auf. Sie ist Trägerin des Bundesverdienstordens und des Giesberts-Lewin-Preises. Gast Fatma Keser wurde 1991 in Xalfetu (Türkei) geboren und ist Kurdin. Sie hat Komparatistik und Philosophie an der Frankfurter Goethe Universität studiert, wo sie beim AStA Frankfurt Feminismusreferentin und Referentin für politische Bildung war. Keser ist Mitherausgeberin des im Herbst 2023 bei Edition Tiamat erscheinenden Sammelbandes "Gesichter des politischen Islam" und Gründungsmitglied der Initiative Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung. Moderation Rebecca Schönenbach arbeitet als unabhängige Beraterin im Bereich der Terrorismusbekämpfung, speziell auch zum Themenbereich islamische Finanzierungen. Als Spezialistin für Scharia und islamischen Extremismus hält sie Vorträge und berät Behörden, NGOs und Unternehmen. Darüber hinaus schreibt sie Fachbeiträge zu den Themenbereichen Islamic Finance, Islamismus, Radikalisierung und Frauenfeindlichkeit. Als Vorsitzende des Vereins Frauen für Freiheit engagiert sie sich gegen Gewalt gegen Frauen, vor allem gegen politische Gewalt mit dem Ziel, Gleichberechtigung abzuschaffen. Schönenbach ist Diplom-Volkswirtin, Mitherausgeberin des Sammelbandes „Ich will frei sein, nicht mutig – FrauenStimmen gegen Gewalt“ und Kolumnistin der Welt am Sonntag.